19.07.2025 – Es weiden wieder Schafe am Kirchmannshof

19.07.2025 – Es weiden wieder Schafe am Kirchmannshof

GERSCHEDE. Eine kleine Herde von 15 Schafen weidet schon auf der großen Wiese am Kerkmannshof in Gerschede. Ein schwarzes ist dabei, die anderen sind braun und weiß. Es ist eine bunte Mischung verschiedener Züchtungen. „Die braunen sind Kamerunschafe und stammen ursprünglich wirklich aus Afrika“, erklärt Heike Steiniger. Die 11 Hühner sind inzwischen auch schon auf den Hof umgezogen. Ein Pferd (die beiden Töchter und der Sohn wären jedenfalls sehr dafür), eine Kuh? Wer weiß?

Die neuen Besitzer des Kerkmannshofes stehen noch ganz am Anfang.

Den roten Hof kennt in Gerschede jeder. Rainer Helfers (l.) und Axel Schneider (r.) begutachten die Fassade.

Heike Steiniger und ihr Mann Axel Schneider, beide Mediziner mit Praxis in Oberhausen, haben den historischen Kirchmannshof am Düppenberg von den Erben der Vorbesitzerin Annemarie Marré erworben, die großen Wert darauf gelegt haben, dass der Hof in seiner jetzigen Form und soweit möglich auch als Bauernhof erhalten bleibt. Schon von Jugend an träumte die Medizinerin von diesem Hof neben der Paulus-Kirche in Gerschede. Jetzt wurde der Traum wahr.

Auch bei Gerschedern und Spaziergängern von außerhalb ist der große, rote Hof wohlbekannt. Und viele würden sicher gerne einmal einen Blick hinter die Mauern des repräsentativen, schmucken Fachwerkbaus werfen können. Für den Vorstand des Kultur-Historischen Vereins Borbeck e.V. machten es die neuen Besitzer möglich. Die Mitglieder betraten eine Art Museum.

Die alte Honigmann-Karte aus dem Jahr 1803/1806 zeigt das Dort Gerschede. Der Kirchmannshof ist schon eingetragen.

Die alte Schmiede ist noch gut in Schuss.

Doch zurück zu den Anfängen: Erbaut wurde der Kerkmannshof “Ano 1778“ (ja, wirklich nur ein n), so steht es mit Eisennägeln auf dem Fachwerk links oben neben dem Eingang zu lesen. Es ist ein Längsdielenhaus, d.h. Wohnung, Stall und andere landwirtschaftlich genutzte Räume, wie Lager etc., sind unter einem Dach vereint.

Beim Kerkmannshof ist das Dielentor seitlich versetzt. Besonders ist, dass die Gefache mit Ziegeln ausgemauert sind und nicht wie zum Beispiel beim Steenkamp Hof in Bedingrade mit einem Geflecht aus Weidenästen bestückt, das dann mit Lehm verputzt wurde.

Mit dem ebenfalls repräsentativen Gimkenhof, der für den Bau der Grundschule an der Ackerstraße abgerissen wurde, und den Höfen May, Beckermann, Stratmann, Kirchmann, Gerschermann, Eggebrecht bildete der Kirchmannshof das Dorf Gerschede. Eine Kirche gab es dort damals noch nicht. Man ging ins Kirchspiel nach Borbeck zur Dionysiuskirche.

Uralte Möbel schmücken auch die gute Stube, in der es sogar ein Klavier gibt.

In der durch die Fürstäbtissin erstellte Landmatrikel von 1668 – ein Verzeichnis der steuerpflichtigen Hofbesitzer im Stift Essen – hieß der Hof noch Rodewegsguth und hatte 58 Morgen Land. (Quelle: fazit-essen.de). Ein Morgen (oder Tagwerk) waren im Stift Essen etwa 3176 Quadratmeter Fläche. Das machten damals für den Kirchmannshof 190000 Quadratmeter.

Der heutige kurze Weg vom Düppenberg zum Kirchmannshof führt ursprünglich bis zur Emscher. Von Bedingrade und Möllhoven kommend am Hof Gerschermann vorbei durch die untere Gerscheder Straße an den Höfen Eggebrecht und Münstermann vorbei weiter nach Norden (nach: Ludwig Wördehoff, Borbecker Beiträge 2/2012.)

Von Kirchmann zu Gimken, von Gimken zu Krupp und wieder zurück zu Gimken

Wördehoff beschreibt weiter die Geschichte des Kirchmannshofes: „Im Jahre 1902 pachteten die Gimken den Hof von Kirchmann und bewirtschafteten beide Höfe von hier aus.“ Zu den Gimken-Kirchmann Höfen zählten das heutige Gewerbegebiet an der Flurstraße – dort gab es die Ziegelei Gimken und Genossen und eine große Fläche an der Flurstraße, die seit den Siebzigerjahren mit Mehrfamilienhäusern bebaut ist. Danach gab es auf den Weiden des Hofes nur noch Viehwirtschaft.

Im Keller stehen noch die alten Vorratsbehälter.

Beim Verkauf der Gerscheder Höfe an die Firma Krupp behielt sich Gimken für seinen Kirchmannshof Erbpacht vor. Wördehoff: „Als Landwirtin folgte Gimkens couragierte Tochter Maria (1896 – 1989).“ Sie versorgte den Hof zunächst mit Verwandten, die auch bei ihr wohnten. Maria behielt auch die Jagdberechtigung. Bis 1988 bewirtschaftet sie mit ihrem 85-jährigen Knecht Gustav Tessarek den Hof.

Die Erbin der letzten, ledig gebliebenen Bäuerin Maria Gimken war ihre Nichte Annemarie Marré, die den Hof von Krupp zurückkaufte. Hoch betagt lebte sie dort bis zum Jahr 2024. Aus den einst 58 Morgen Land blieben immerhin noch 25000 Quadratmeter Wiese und Weide, auf denen außerdem Stall und Schmiede stehen. Platz genug ist also für Schafe & Co.

Im Zweiten Weltkrieg wurde dieser unterirdische Gang aus dem Keller in den Garten geführt. Heute endet der Gang im Nichts.

Unter strengen Auflagen des Denkmalschutzes geht es nun an die Sanierungs-Arbeit: Zimmer für Zimmer, Raum für Raum. Zahllose scheint es davon zu geben: Vom Dachgeschoss, über den Anbau, zum Keller. Die Sanierung ist ein schwieriges Unterfangen, Gefache müssen neu ausgemauert werden und fast die gesamte Grundschwelle und viele Balken des Fachwerks müssen ersetzt werden. Das Haus steht aktuell durch die zerstörte Grundschwelle in wesentlichen Teilen in der Luft und muss rundherum abgestützt werden, damit sich der Baukörper nicht verformt. „Es ist nicht ganz leicht, die entsprechenden Handwerksbetriebe zu finden“, sagt Axel Schneider. Im Ruhrgebiet gibt es anders als z.B. in Niedersachsen oder dem Münsterland nur wenige alte Fachwerkhäuser und damit auch nur wenige Zimmerleute, die solche Restaurationen machen können.

Die Familie hat das Haus zusammen mit fast dem gesamten Mobiliar erworben, was insbesondere im Eingangsbereich und den angrenzenden Zimmern einen sehr musealen Eindruck macht und auch weitgehend so erhalten bleiben soll. Betritt man das Haus durch den Haupteingang, fällt unmittelbar die für ein 250 Jahre altes Fachwerkhaus ungewöhnliche Raumhöhe von über 3 Metern und die große geschwungene Holztreppe ins Obergeschoss auf. Der Bauer Kirchmann legte wohl großen Wert auf ein repräsentatives Entrée und hatte damals offenbar auch das nötige Kleingeld, um so etwas zu erbauen.

Sogar wo der alte Rauchfang in der Küche war, ist noch zu erahnen. „Wir wollen versuchen, ihn wieder sichtbar zu machen“, sagt Heike Steiniger.

Nach der rund zweistündigen Besichtigung des Kerkmannshofes, unter diesem Namen steht er in der Denkmalliste der Stadt, sind die Vorstandsmitglieder des KHV beinahe erschöpft, auf jeden Fall aber tief beeindruckt und hocherfreut, dass sich die Eheleute Steiniger und Schneider dieser Mammut-Aufgabe widmen.

Wer selber den Hof besichtigen will, hat dazu am Tag des offenen Denkmals am Sonntag, dem 14.09.2025 Gelegenheit. Führungen soll es um 11, 13 und 15 Uhr geben und ein Freund der Familie will versuchen, die alte Schmiede wieder in Gang zu bringen.

Übrigens: Das früher zum Hof gehörende, um 1800 gebaute, Gesindehaus an der Gerscheder Straße (auch Zuckerhüsken oder Scharpenkampskotten – in der Denkmalliste: Schafenkampskotten – genannt) gehört nicht mehr zum Kirchmannshof.

Links: Blick in das Knechtzimmer. Rechts: Das Schlafzimmer der Landwirte. Durch das kleine Fenster rechts neben dem Bett konnte man direkt in den Kuhstall schauen, ob alles in Ordnung ist. Das war notwendig, wenn eine Kuh kalbte. Fotos: Bernhard Tonner/Susanne Hölter

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